Figuren aus Plastilin: „Schau, Mama, ein …“

Erwachsenentisch. Kindertisch.

Auf dem für die Großen wird Kaffee und Bier getrunken, Apfel-Kuchen ohne Mehl gegessen und diskutiert – über Corona-Impfungen, wie man den Nachwuchs aufs Topferl bringt, irgendwelche Fußball-Ergebnisse, die Kunst, Spaghetti richtig zu kochen, Ferdinand, trink einen Schluck Wasser, Himbeersaft, aber nur ausnahmsweise, Marianne, willst du noch ein Stück?, artgerechte Tierhaltung, Modell-Eisenbahnen und wo es aktuell Rabatte auf Tonie-Figuren gibt.

Auf dem für die Kleinen stecken Mini-Finger in bunter Knetmasse. Sie formen aus dem Plastilin alles mögliche: Bananen mit unnatürlichen Krümmungen, Giraffen, die ausschauen wie Raupen, Schildkröten, Tintenfische, Schweine, Blumen, und so weiter und so fort. Zwischendrin immer der eine oder andere Erwachsene zum Animieren.

Irgendwann war ich dran.

Knetmassen-Kunst auf Naja-Niveau

Während die anderen ü30er sich in irgendeiner Weise pädagogisch wertvoll einbringen, tu ich’s nicht, sondern lass meinem ungezügelten, hemmungslosen, rebellischem Teenager-Ich freien Lauf. Ich nehme ein Stück Plastilin in Rot, forme eine lange Nudel und zwei Kugeln, drapiere eine davon links, die andere rechts von der Schlange – et voila, … 

Ich rufe meinen Freund, um ihn mein Werk – hihi – zu präsentieren. So schnell bin ich aber nicht, da schnappt sich die dreijährige Tochter meiner Kusine das Teil und stürmt auf den Erwachsenentisch zu. Wie in einem schlechten Action-Film sehe ich die Szene in Slow-Motion vor mir: Ihre kleinen Beinchen bewegen sich bis zum Anschlag, ihre Ellbogen schieben vor und zurück, ihr Gesichtsausdruck ist fokussiert und entschlossen. Sie will ins Ziel. Allen Umständen und Widrigkeiten zum Trotz. Ich hechte hoch vom Kinderstuhl, aua, aua, mein Kreuz, und rudere unbeholfenen mit meinen Armen, um sie einzufangen, aber sie ist längst zu weit weg. Ich muss mich geschlagen geben.

„Mama, schau, schau, was die Kathi gemacht hat“, ruft die Kusinen-Tochter und hält ihrer Mutter das Plastilin-Stück vor die Nase. Ich schäme mich und kichere peinlich berührt. Ich bin 35, Journalistin, selbst bald Mutter eines Kindes und habe aus Plastilin … „Einen Champignon!!!“ geformt.

Ein Kommentar

  1. 🙂 🙂 🙂

    So schön , dass du wieder blogst, deine G´schichten sind immer wieder Highlights!!

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