„Warte ab, bis du selbst ein Kind hast …“

Angefangen hat es mit meiner Mama, als ich acht war. Vielleicht jünger. „Du wirst schon noch sehen! Warte ab, bis du allein wohnst und deine Unterhosen selbst waschen musst.“ Die zu waschenden Unterhosen lassen sich ersetzen durch: Essen kochen, Rechnungen zahlen, … bis hin zum ultimativen Lieblingssager: „Warte nur mal ab, bis du selbst ein Kind hast. Und wenn die dann so sind wie du – Prost, Mahlzeit.“ Das mit den Unterhosen und dem Essen find ich okay, muss ich sagen. Beides mag ich eigentlich sehr. Ich hab nämlich einen kleinen Waschmittel-Fetisch und ich koche gerne und esse noch viel lieber. Das mit den Rechnung nicht so, krieg ich aber auch hin. Kind hab ich jetzt auch. Ob sie mal so wird wie ich, weiß ich noch nicht. Falls sie wirklich so werden sollte wie ich … Ja, dann kauf ich mal Gin und Wein und Bier auf Vorrat. Und Schokolade. Kiloweise Schokolade.

Irgendwann fing jedenfalls auch das Außen damit an: „Warte ab, bis … du schwanger bist …“ Als ich’s war, ging’s weiter: „Warte nur mal ab, bis du Sodbrennen des Todes kriegst … dein Körper sich wie ein Barbapapa verformt (aber nicht mehr zurückformt)… du Hämorrhoiden bekommst … die Wehen einsetzen … sie in einen Wehensturm übergehen … du dich beim Entbinden anmachst – vor deinem Freund … dein Kind dann da ist … du alle zwei Stunden in der Nacht aufstehen musst … dein Beckenboden im Arsch ist … dein Arsch wiederum hängt … und du in nie wieder knackig kriegst … du saufen willst, weil die Nerven blank liegen, du aber nicht kannst, weil du stillst, … du mit deinem Partner nie wieder Sex haben wirst (hat mir tatsächlich eine Dreifach-Mama gesagt … und es sind keine Drillinge) … dein Kind zwei Wochen … drei Monate … vier Jahre ist … bis du … bis du … du tot bist.“ Und immer schwingt im Unterton die Botschaft mit: Was bist du doch naiv! Ha ha ha!

Außer die Hämorrhoiden sind hartnäckig …

(Un)lustigerweise sind es meistens die bösen, negativen, schlechten Sachen, auf die man warten soll. Und meistens kommen sie von Menschen, die dann in den sozialen Medien posten: #dubistmeinleben #niemehrohnedich #lovemylife. Während meiner gesamten Schwangerschaft hab ich viel öfter Horrorgeschichten von Geburten, Neugeborenen und kleinen Kindern gehört als schöne Dinge. Und dabei gibt es die zuhauf: Der erste Herzschlag, die ersten Tritte, das erste kleines bisschen Bauch (das nicht zum zu viel Naschen kommt …). Jedes Mal unendliche Faszination, wenn man das Mini-Menschlein beim Ultraschall sieht. Der Augenblick, wenn man merkt, dass die Cellulite eigentlich nicht so schlimm ist. Im Dunkeln. Mit Hose drüber. Oder Neopren-Anzug. Und dass der Beckenboden zum Glück doch nicht komplett im Arsch ist und der Arsch zwar hängt, aber es egal ist, weil mit dem Hängehintern auch die Einsicht gewinnt, dass es Wichtigeres gibt im Leben als einen Super-Knack-Po. Oder wenn einem bewusst wird, dass die ganzen Schreckensmomente selten wirklich so schrecklich sind wie so viele sagen. Außer die Hämorrhoiden sind hartnäckig. Dann … Naja …

Und ja, ich weine oft und viel

Dazu kommt die Tatsache, dass man vielleicht gar nicht warten will, bis … Sondern in den Moment eintauchen möchte. Mit allem, was dazu gehört. Auch mit all dem, wovor sie einen ständig warnen: Schlaflose Nächte, Augenringe bis zu den Knien, vollgekackte Windeln und Kack-Attacken, während die Windel nicht drauf ist … Streitereien mit dem Partner, weil beide überstrapaziert und überfordert sind und sowieso die ganze Zeit an sich selbst zweifeln. Und ja, ich weine oft und viel (Ich muss aber auch zugeben, das hab ich schon immer gemacht …), bin noch öfter innerlich gestresst, hinterfrage alles mindestens 409 Mal, weiß fast nie, was mein Kind gerade braucht und will, habe Augenringe des Todes (Welcher Concealer hilft wirklich????), selten eine gute Frisur, naja, eigentlich hab ich nicht mal keine gute, sondern überhaupt keine. Ich komm zu viel weniger als ich mir vornehme, fühle mich dann schlecht und fühle mich noch schlechter, weil ich mich deshalb schlecht fühle.

Und trotzdem sitze ich hier, tippe die Zeilen mit einer Hand, weil in der anderen mein Baby schläft und freu mich. Weil mit all den Herausforderungen und Hürden geht eben auch so viel Schönes einher: Vor allem lassen diese Momente mich über mich selbst hinaus- und uns als Familie zusammenwachsen. Außer bei Hämorrhoiden. Die sind, sind wir uns ehrlich, fürn Arsch …

Ein Kommentar

  1. Ich bin soooo bei dir! Meine kleine Maus wird nächste Woche 16 Monate alt und diese Gefühle sind heute noch komplett da (inkl. der Heulerei)! Kleiner Tipp am Rande – das „mit einem Jahr wird dann alles besser“ ist leider auch ein kleines Ammenmärchen! Aber im Nachhinein gesehen muss man einfach stolz auf sich sein, weil man jede Situation irgendwie dann doch gut gemeistert hat! Du machst das toll! Ich hätte es nie im Leben geschafft, mit einer Hand auch noch einen Blog zu tippen ☺️

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