Geburtsvorbereitung: 459 Kurse, 27.900 Bücher und atmen, atmen, atmen

Ich dachte bislang immer, man hat ungeschützten Geschlechtsverkehr, wird mit etwas Glück oder Pech – je nach Ausgangssituation schwanger –, kotzt ein bisschen vor sich hin, erstrahlt irgendwann als heilige Schwangere wie einst Beyoncé, bevor man den Glow wieder gegen Wassereinlagerungen eintauscht. Man liest ein bisschen was über das Wochenbett und wie man richtig stillt. Man probiert sich an verschiedenen Stellungen, die fürs Entbinden besonders förderlich sein sollen und kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie das kleine Mohnkorn in einem zu einem Mini-Mensch heranwächst, den man dann nach etwa 40 Wochen in die Welt entlässt. Was war ich naiv!

Zwischen positivem Schwangerschaftstest und Entbindung offenbart sich ein Mommy-to-be-Paralleluniversum. Erstens gibt es nicht ein oder zwei Bücher, die man in Sachen Geburtsvorbereitung und Post-Schwangerschaft lesen MUSSMUSSMUSS, sondern circa 27.900 Pflichtlektüren (hier, wer sich für meine Empfehlung interessiert). Und wenn man sie nicht liest, bleibt das Baby für immer drin. So ein Gefühl wird einem zumindest vermittelt.

Mit viel Konfetti und noch mehr Kindersekt

Dann die ganzen Festivitäten, die zur Geburtsvorbereitung gehören: Party, wenn man die Schwangerschaft verkündet, Party, um das Geschlecht zu verkünden, Party, wenn das Baby 25,23 cm groß ist, Party, wenn das Baby so viel wie eine halbe Wassermelone wiegt. Party, Party, Party. Mit viel Konfetti und noch mehr Kindersekt.
Es gibt sogar Feten für werdende Mamas, wo einen fremde Menschen beglückwünschen und mit Blumenkränzen und ein paar mitgebrachten Snacks hochleben lassen. Wer will, bucht ein Shooting dazu und wir sind bei knackigen 800 Euro.

Daneben muss man 459 Kurse besuchen, um für Tag X ready zu sein, sonst wird das sowieso nichts: richtig turnen mit Bauch, richtig laufen mit Bauch, richtig atmen mit Bauch, richtig schlafen mit Bauch, richtig essen mit Bauch, richtig duschen mit Bauch, richtig Sex haben mit Bauch, die richtige Ausrede finden mit Bauch, wenn man keinen Sex haben will, richtig pinkeln mit Bauch, richtig …

Meine Art von Geburtsvorbereitung: Ich lerne atmen …

Ich hatte mir jedenfalls von Anfang an geschworen, keinen einzigen dieser Kurse zu besuchen. „Das ist die reinste Geld- und Zeitverschwendung“, habe ich gesagt. Und schon saß ich Opfer in einem dieser Vorbereitungsworkshops, die dir das Normalste der Welt beibringen: Atmen.

„Wir holen durch die Nase Luft“, trägt die Vortragende über Zoom auf, „Und eins, zwei … 13, 14, 15, … Und jetzt atmen wir aus. Und eins, zwei, … 13, 14, 15, …“ Gut, ich nehme das mit „das Normalste der Welt“ zurück. Bei acht steige ich aus. Mir ist schwindlig und komisch zumute.

… und scheitere.

„Katharina“, spricht mich die Leiterin an.
„Ja?!“
„Du hast durch den Mund geatmet. Ich hab’s genau gesehen.“
Erwischt und lügen ist scheinbar zwecklos.
„Ja, stimmt, so fällt es mir leichter.“
„Das geht aber nicht.“
„Aha.“
„Du musst durch die Nase atmen, sonst wird das nichts.“
„Okay“, sage ich und stelle mich auf ein Leben mit Gemeindebau-Wampe ein, nachdem mein Kind scheinbar für immer in mir leben wird. Mit Leggings und Oversize-Hoodies geht das.

„Es ist wirklich wichtig, durch die Naaaaase zu atmen“, betont die Vortragende ein weiteres Mal.
„Ich kann Sie so schlecht hören“, sage ich und imitiere einen WLAN-Ausfall.
„Hallo, hallo?“
„Ja, hallo! Durch die Naaaaase habe ich gesagt.“
„Welche Phase?“
„Naaaaaase.“

Ich finde, jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um auf den Off-Knopf zu drücken. Und tschüss. In einem Mail entschuldige ich mich für meine lahme Internetverbindung und erkläre ihr, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, wieder einzusteigen. Dann lehne ich mich zurück und atme tief durch. Durch den Mund. Ha.

Kurze Randnotiz

Ich glaube übrigens sehr wohl an die Kraft des richtigen Atmens und daran, dass wir es oft falsch machen. Ich glaube auch daran, dass man Stress und Schmerz weg- und Ruhe heratmen kann – und dass Kurse wie diese durchaus was bringen. Aber ich glaube halt auch an mein eigenes Gefühl und daran, dass es ganz gut weiß, was meinem Körper gut tut und dass es okay ist, Übungen für sich so abzuwandeln, dass sie sich stimmig für einen anfühlen. Denn an das Wort „müssen“ glaub ich nicht. Zumindest nicht in diesem Zusammenhang und sonst auch ziemlich selten.

2 Kommentare

  1. Liebe Katharina,
    Du bist nicht alleine 😉 mir erging es genauso…und was das Atmen betrifft: 100 Kurse hätten mir nicht geholfen mich während der doch sehr anstrengend und schmerzhaften Geburt daran zu erinnern! Geholfen hat mein Mann der mir vorgeatmet hat 😉 also am besten den Mann in einen solchen Kurs schicken!
    Alles Gute & Liebe

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  2. Ich hab 2020 sehr viele Interviews mit unterschiedlichsten Frauen zu ihren Geburten geführt und viele bestätigen deine Einschätzung, Katharina: Geburtsvorbereitungskurse sind oft für die Katz. Weil alles anders kommt als man denkt. (Und Denken ist ohnehin das Letzte, was es während der Geburt braucht).
    Eine Geburt dauert einige (manchmal auch viele) Stunden. Auf das, was DANACH kommt, sind die meisten Frauen jedoch definitiv zu wenig vorbereitet. Wochenbett, was braucht mein Baby, Schlafen, Schreien, Pflege, Anpassungsleistungen, Bindungsverhalten, Bedürfnisse – und all das dauert ein „klein wenig“ länger als eine Geburt.
    Ich hab 2020 einen flexiblen ONLINE Kurs dazu erstellt, mit dem Code MAMATOBE10 kannst du dir 10% auf die Kurskosten von 69€ holen.
    Du kannst dir die Videos vorab in Ruhe ansehen und bei Bedarf (wenn das Baby da ist) immer wieder – du hast zwei Jahre Zugang zu allen Inhalten.
    Eine umfassende Vorbereitung auf eine große Umstellung im Leben: alles (oder jedenfalls VIELES) was du zu den Veränderungen bei deinem Körper, zum Baby und dem neuen Alltag in der Partnerschaft wissen solltest.
    Hol dir dieses Wissen und sei einen kleinen Schritt voraus!
    Lebendige Grüße, Kerstin Bamminger

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